Angelus Novus Cycle

ANGELUS NOVUS ZYKLUS

Der Angelus Novus Zyklus besteht, neben dem Sopransolowerk Angela Nova 2, aus jenen sechs Werken, aus denen sich das Poly-Werk Angelus Novus, ein Musiktheater nach Walter Benjamin (Uraufführung am 5. Mai 2000 auf der Münchener Biennale), zusammensetzt. Dem Musiktheater liegt folgender Text zugrunde:

»Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.« (Walter Benjamin, Über den Begriff der Geschichte, IX)

Die Zielsetzung von Angelus Novus ist, die Gattung dessen, was einst Oper hieß, aus den Zwängen der Verdoppelung des narrativen Substrats der Musik auf der Bühne zu befreien. Das Werk rechnet mit einem offenen Inszenierungsteam, das sich gleichsam zum Autor einer Bühnen-Sprache zu machen bereit ist, die sich mit der Musik verbindet. Angelus Novus ist non-narrativ. Das soll heißen, dass der Partitur, dem zeitlichen Verlauf der musikalischen Form, keine »Geschichte« unterlegt ist. Statt dessen ist die Form zu begreifen als eine Abfolge von spezifischen Aspekten, welche die Thematik des Angelus Novus-Textes von Benjamin künstlerisch zu bewältigen suchen. Die Umsetzung der Verlaufsform folgt der Partitur, die bei allen Inszenierungen vorgegeben ist. Da diese Musik aber nicht einer »Geschichte«, sondern thematischen »Kernen« entlang komponiert ist, kann die Inszenierung gleichwohl narrativ sein. Diese »Narration« muss allerdings eigens hinzuerfunden werden. Diese CD umfasst die Werke, wie sie separat, mithin ohne Bühne und ohne Bühnengeräusche, erklingen.

Da dem Zyklus die Zahl drei auf vielen Ebenen konstitutiv ist, stehen sich drei Ensemblewerke drei Solostücken gegenüber. Angela Nova für Solosopran und Ensemble vertont den Benjamin-Text nicht. Er dient vielmehr als Vorlage einer strukturellen Lektüre, die sich in den fünf Teilen wie folgt auswirkt: I – von den Konsonanten ausgehend werden Phonemketten gebildet; II – von den Vokalen ausgehend werden Vokalketten gebildet; III – die phonetische Substanz der einzelnen Wörter werden zu Phonem-»Klumpen« verschmolzen; IV – retrograder Durchgang durch den Text; V – die Interpunktion des Textes (seine Abfolge von Kommata und Punkten) wird in »Minidramen« übersetzt.

Das »Thema« der fünf Abschnitte sind fünf für das menschliche Dasein fundamentale Befindlichkeiten, an deren »Emotionalität« die Sängerin die Interpretation und die Gesangs- bzw. Stimmtechnik ausrichtet – eine hoch expressive, ja ganz und gar »anthropologische« Musik. Abschnitt I: »Thema« ist Angst, Einsamkeit, Nicht-sich-ausdrücken-Können, Leere, Ungewissheit, Ur-Zustand, Embryonalität. Die Musik kommt aus dem Nichts, handgreiflich, indem sie mit dem Leisen, dem Geräuschhaften anhebt, und im übertragenen Sinne, dass die Stimme selber erst sich das Sprechen/Singen-Können gleichsam erobern muss. Die Musik entwickelt sich aus einem stimmlichen Nicht-Können. Abschnitt II: »Thema« ist Freude, Offenheit, Freies Singen, Großer Atem. Freude heißt Offenheit, Zeitvergessenheit bei Extraversion, reines Sich-Aussingen, Lust an der Präsenz. Musikalisch besteht das aus in sich genügsamen Vokalisen. Abschnitt III: »Thema« ist Hoffnung; diese bedeutet das Aufkeimen von Gestalthaftem aus Gestaltlosem, langsame, nur anhebende Entwicklungen, jedoch ohne erkennbares direktes Ziel, gar dessen Erreichen. Die Musik besteht aus kleinen Mini-Entwicklungen, in denen sich die anfänglichen »Verschmierungen« lösen. Wichtig ist dabei der Unterschied zwischen den verschiedenen Deutlichkeitsgraden (stimmlos/stimmhaft, Frikativ/Approximant/Vokal etc.). Abschnitt IV: »Thema« ist Trauer/Schmerz. Die Musik besteht tendenziell aus abfallenden Linien; die Energie nimmt ab, in kleineren Einheiten genauso wie im Gesamtverlauf. Die Musik kippt ins Gesanglose um, tendiert zum Ersticken (fast bis an einen Punkt, der an Abschnitt I erinnert). Abschnitt V: »Thema« ist Verzweiflung, Katastrophe, Zerstörung. Die Musik besteht aus einer Abfolge von introvertierten, sich peu à peu erschöpfenden und extrem extravertierten, zuletzt hysterischen »Minidramen«. Das Ensemble besteht aus vier Geigen, Klavier, Gitarre und Harfe. Angela Nova 2 ist die Solofassung von Angela Nova (mit einem leicht veränderten Schluss).

Kompositorisch ist die Zweite Kammersymphonie (Solistenensemble mit 16 Spielern) erstens eine Übereinanderlagerung dreier formaler Prozesse, die historischen Werken entnommen sind: a) die Instrumentation (bzw. die Einteilung in Instrumentalgruppen) folgt Carceri d’Invenzione I von Brian Ferneyhough in retrograder Weise; b) das morphologische Material – 19 an der Zahl – folgt in Analogie Schönbergs Erster Kammersymphonie; c) Satzeinteilung, Tempostruktur und Satzcharakteristik folgen meiner eigenen (Ersten) Kammersymphonie: I – fließend, linear, introduzierend; II – blockhaft, rhythmisch; III – Steigerung bis zur Klimax; IV – Nachlassen, dann »Grande Adagio«; V – Tumult, Komplexität; VI – »Reflexion«, Epilog. Das Werk thematisiert zweitens das Verhältnis von Anwesenheit und Abwesenheit auf drei Ebenen. »Abwesenheit« wird durch plötzliche Reduktion erzeugt – auf drei verschiedene Weisen: a) plötzliches pppp (äußerst leise), entweder in einer Instrumentalgruppe oder für das gesamte Orchester; b) plötzliche Ausblendung aller Instrumente einer Gruppe bis auf das Hauptinstrument; c) plötzlicher Stillstand des rhythmischen Geschehens mit der Folge von Liegetönen. Wie in all meinen Kammersymphonien wird ein Maximum an symphonischer Dramatik und Multiperspektivität angestrebt.

Die Solitude-Sérénade ist die Ensemblefassung des Piccolooboen-Solowerks Solitude-Nocturne (1992/93), welche nun mit einer harmonischen Hülle umgeben wird. Zwei literarische Quellen kommen hier zusammen; zum einen die psychoanalytisch-anthropologische Sicht Lou Andreas-Salomés über Erotik (»… und dass Zwei nur dann Eins sind, wenn sie Zwei bleiben«), zum anderen ein Aphorismus über das Glück aus Adornos Minima Moralia, wonach dem Zustand des Glücks das Vergessen der Zeit, sowohl des Augenblicks wie des Hineingekommenseins und Herausfindens, innewohnt, so dass das Glück nur als dankbare Erinnerung bewusst werden kann. Die Musik, in strenger achteltöniger Melodik und mit einigen ausgewählten Mehrklängen, versucht, diesen zeitlichen Verlauf nachzuzeichnen, in dessen Mitte es zu einer Art Zeitvergessenheit kommen soll: linear, »organisch«, nicht-konflikär.

La vision d’ange nouveau für Violoncello; La terreur d’ange nouveau für Flöte; Le rêve d’ange nouveau für Klavier. Diese drei Stücke sind mit den gleichen kompositorischen Prinzipien entwickelt worden. Gemeinsam sind drei Materialtypen, die sich vordergründig als »harmonisch«, »melodisch« und »rhythmisch-motivisch« beschreiben lassen. In jedem Stück dominiert ein Typus, während die beiden anderen Nebenmaterialien bilden. Im Stück für Klavier mit dessen großem Ambitus und den Pedalen dominiert das Harmonisch-Klangliche, in dem für Violoncello das Melodisch-Weitgeschwungene, in dem für Flöte das Rhythmisch-Motivisch-Repetitive. Weil die Form, aber auch die Intervallik und Teile der Rhythmik bei allen drei Stücken auf die gleiche Weise gebildet wurden, wurde darauf geachtet, jedem Stück ein besonderes Gepräge zu verleihen. Das Cellostück besteht aus bis zu drei Schichten, die der Spieler, hin- und hervermittelnd, polyphon koordinieren muss. Das Flötenstück ist in kleinere Fragmente gleichsam zerfetzt. Das Klavierstück arbeitet, neben motivischem Material, mit großdimensionierten Klangflächen, für deren Gestaltung die besondere klangliche Sensibilität des Spielers gefordert ist. Die drei Werke folgen drei Zeittypen: Das Flötenstück ist in seiner nervösen Hektik auf die Gegenwart bezogen. Das Klavierstück – traumartig, alogisch, anamnetisch, permutativ – erweckt Erinnerungen und gilt der Vergangenheit. Das Cellostück mit seinen langgezogenen Kantilenen blickt in die Zukunft. Diese drei Zeittypen gelten in gewisser Weise auch für die Ensemblewerke. Die Zweite Kammersymphonie gilt der Vergangenheit, dem Blick auf die komplexe Zivilisation des 20. Jahrhunderts, Angela Nova versucht sich an der Frage, was der Mensch heute ist, die Solitude-Sérérade nähert sich einer messianischen Perspektive eines Jenseits unserer irrationalen und antagonistischen Welt.

Literatur:

Claus-Steffen Mahnkopf: Der Angelus-Novus-Zyklus (in: Detlev Schöttker, Hg., Schrift – Bilder – Denken. Walter Benjamin und die Künste, Frankfurt a. M. 2004)

Julia Spinola: Komplexistische Engelsmusik – Claus-Steffen Mahnkopfs »Angelus Novus« als Musiktheater der Zumutung (in: Frieder Reininghaus/Katja Schneider, Hg., Experimentelles Musik- und Tanztheater [= Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert, Bd. 7], Laaber 2004)

Franklin Cox: »La vision d‘ange nouveau«, by Claus-Steffen Mahnkopf (in: Ferdinand Zehentreiter, Hg., Die Musik von Claus-Steffen Mahnkopf, Hofheim 2012)

Almut Hellwig: »Angela Nova 2« – Ein Erfahrungsbericht (in: a. a. O.)

Klaus Huber: Im Gespräch mit Claus-Steffen Mahnkopf (in: a. a. O.)

(Claus-Steffen Mahnkopf)

 

ANGELUS NOVUS CYCLE

The Angelus Novus Cycle consists, along with the work for solo soprano, Angela Nova 2, of the six works that comprise the poly-work Angelus Novus, a music theatre piece based on Walter Benjamin (premiered at the Munich Biennale on 5 May 2000). The music theatre piece is based on the following text:

“There is a picture by Klee called Angelus Novus. It shows an angel that looks as if it were about to move away from something at which it is starting. Its eyes are wide, its mouth is open and its wings are spread. This is what the angel of history must look like. Its face is turned towards the past. Where we see a chain of circumstances before us, it sees one giant catastrophe piling wreckage upon wreckage and throwing it at the angel’s feet. It presumably wants to stay a while, wake the dead and put the pieces back together. But a storm is blowing from paradise; it has taken hold of its wings, and is so strong that the angel can no longer fold them up. This storm pushes it inexorably into the future, on which its back is turned, while the wreckage before it rises to the heavens. What we call progress is this storm.” (Walter Benjamin, On the Concept of History, IX)

The aim of Angelus Novus is to liberate what was once called “opera” from the contraints of doubling the narrative substrate of the music on the stage. The work calls for an open-minded production team willing to become the author of a stage language, so to speak, that combines with the music. Angelus Novus is non-narrative. That is to say, there is no “plot” underlying the temporal progression of the musial form. Instead, the form should be understood as a sequence of specific aspects that attempt to come to terms artistically with the subject matter of Benjamin’s Angelus Novus text. The realization of this form follows the score, which is fixed for all performances. As this music does not follow a “plot”, however, but rather thematic “kernels”, the production, both in its smaller parts and for the overall form, can nonetheless be narrative. This “narration” would have to be invented from scratch, however. The present CD contains the works as they sound separately, i.e., without a stage or stage sounds.

As the number three is constitutive for the cycle at many levels, there are three ensemble pieces alongside three solo pieces. Angela Nova for solo soprano and ensemble is not, one should note, a setting of the Benjamin text. It serves as the basis for a structural reading that progresses in five parts: I – the consonants are used to form chains of phonemes; II – the vowels are used to form chains; III – the phonetic elements of the individual words are merged to form “lumps” of phonemes; IV – retrograde reading of the text; V – the punctuation marks in the text are translated in to “mini-dramas”.

The “themes” of the five sections are five emotional states fundamental to human existence; the singer follows their respective “emotionality” in her interpretation and vocal technique – a highly expressive, thoroughly “anthropological” music. Section I: The “theme” is fear, loneliness, inability to express oneself, emptiness, uncertainty, primal state, embryonality. The music comes out of nowhere – literally, by beginning with quiet, unpitched sounds, and metaphorically, in the sense that the voice must first struggle to attain the ability to speak and sing. The music thus develops from a state of vocal inability. Section II: The “theme” is joy, openness, free singing, large breaths. Joy means openness, forgetting time, extroversion, singing everything out purely, an enjoyment of presence. Musically, it consists of self-sufficient vocalises. Section III: The “theme” is hope; this means the emerging of shapes out of shapelessness, developments beginning only slowly, but with no recognisable goal, let alone any reaching thereof. The music consists of mini-developments in which the initial “blurrings” disappear. It is important here to distinguish between the different degrees of clarity (voiced/unvoiced, fricative/approximant/vowel etc.). Section IV: The “theme” is sorrow/pain. The music tends towards descending lines; the energy fades, both in the smaller units and the overall development. The music shifts to songlessness, tending towards suffocation (almost up to one point reminiscent of section I). Section V: The “theme” is despair, catastrophe, destruction. The music consists of a series of “mini-dramas”: introverted, gradually fading ones and extremely extroverted, in the end hysterical ones. The ensemble consists of four violins, piano, guitar and harp. Angela Nova 2 is the solo version of Angela Nova (with a slightly altered ending).

Zweite Kammersymphonie (a chamber orchestra of 16 soloists) is based on the following compositional principles: 1. a superimposition of three formal processes taken from historical works: the instrumentation/division into instrumental groups is the retrograde of that in Carceri d’Invenzione I by Brian Ferneyhough; the morphological material – consisting of 19 elements – follows Schönberg’s First Chamber Symphony; division of movements, tempo structure and character of movements follow my own (first) Kammersymphonie: I – flowing, linear, introductory; II – block-like, rhythmic; III – escalation towards a climax; IV – reduction of intensity, then “Grande Adagio”; V – tumult, complexity; VI – “reflection”, epilogue. 2. It is decisive that the work thematicises the relationship between presence and absence on three levels. “Absence” is produced through sudden reduction – in three different ways: sudden pppp (extremely quiet), either in one instrumental group or for the entire orchestra; sudden silence of all instruments in a group except for the main instrument; sudden halting of rhythmic activity with the sequence of sustained notes. As in all my chamber symphonies, I strove to achieve the greatest possible symphonic drama and multi-perspectivity.

Solitude-Sérénade is the ensemble version of the piccolo oboe solo Solitude-Nocturne (1992/93), which is here surrounded in a harmonic shell. Two literary sources come together here: firstly, the psychoanalytical-anthropological view of Lou Andreas-Salomé on eroticism (“…and that two can only be one if they remain two”), and secondly, an aphorism on happiness from Adorno’s Minima Moralia that describes the state of happiness as including the forgetting of time, both the moment and the act of coming in and finding out, meaning that happiness can only be consciously experienced as a grateful memory. The music, composed with strict eighth-tone melodic material and a small selection of multiphonics, attempts to trace this temporal progression, which is intended to arrive at a form of “forgetfulness of time” in the middle: linear, “organic”, non-conflicting.

La vision d’ange nouveau for cello, La terreur d’ange nouveau for flute, and Le rêve d’ange nouveau for piano: these three pieces were all developed using the same compositional principles. They share three types of material that can superficially be described as harmonic, melodic and rhythmic-motivic. One type predominates in each piece, while the two others form secondary material. The piece composed for the piano, with its large range and pedals, is dominated by the harmonic-sonorous aspect, the cello piece by the melodic and widely-spread aspect, and the flute piece by the rhythmic-motivic-repetitive aspect. Because the formal, intervallic and (partly) rhythmic structures in all three pieces were developed in the same way, I made sure to give each piece a special character. The cello piece consists of up to three layers which the player, mediating between them, must co-ordinate polyphonically. The flute piece is “torn up” into smaller fragments. The piano piece, alongside motivic material, works with large-scale static textures that require a particular sensitivity to sonority on the part of the player. The three works follow three temporal types: the flute piece, with its nervous and hectic manner, relates to the present. The piano piece – dream-like, alogical, anamnestic, permutative – awakens memories and concerns the past. The cello piece, with its drawn-out cantilenas, looks to the future. In a certain sense, these three temporal types also apply to the ensemble pieces. Zweite Kammersymphonie concerns the past, a view on the complex civilisation of the 20th century; Angela Nova attempts to ask what the human being is today; and approaches a messianic perspective of a state beyond our irrational and antagonistic Solitude-Sérénade world.

Further reading:

Claus-Steffen Mahnkopf: Der Angelus-Novus-Zyklus (in Detlev Schöttker, ed., Schrift – Bilder – Denken. Walter Benjamin und die Künste, Frankfurt 2004)

Julia Spinola: Komplexistische Engelsmusik – Claus-Steffen Mahnkopfs “Angelus Novus” als Musiktheater der Zumutung (in Frieder Reininghaus & Katja Schneider, eds., Experimentelles Musik- und Tanztheater [= Handbuch der Musik im 20. Jahr-hundert, vol. 7], Laaber 2004)

Franklin Cox: “La vision d‘ange nouveau”, by Claus-Steffen Mahnkopf (in Ferdinand Zehentreiter, ed., Die Musik von Claus-Steffen Mahnkopf, Hofheim 2012)

Almut Hellwig: “Angela Nova 2” – Ein Erfahrungsbericht (in op. cit.)

Klaus Huber: Im Gespräch mit Claus-Steffen Mahnkopf (in op. cit.)

(Claus-Steffen Mahnkopf)

 

CYCLE ANGELUS NOVUS

Outre la pièce pour soprano solo Angela Nova 2, le Cycle Angelus Novus consiste en six pièces desquelles se trouve constitué la poly- œuvre Angelus Novus, un théâtre musical d’après Walter Benjamin (création mondiale le 5 mai 2000 pendant la Biennale de Munich). Le texte suivant sous-tend le théâtre musical :

« Un tableau de Klee s’appelle Angelus Novus. Un ange y est représenté qui apparaît comme s’il était sur le point de s’éloigner de quelque chose qu’il regarde fixement. Ses yeux sont écarquillés, sa bouche bée et ses ailes sont déployées. C’est ainsi que l’ange de l’histoire doit apparaître. Il a la face tournée vers le passé. Là où une chaîne d’événements apparaît devant nous, lui voit une unique catastrophe, qui s’amoncelle continument morceau par morceau en se concentrant à ses pieds. Il aimerait bien s’attarder, réveiller les morts et rassembler ce qui a été mis en pièces. Mais du Paradis souffle une tempête qui s’est engouffrée dans ses ailes et qui est si forte que l’ange ne peut plus la contenir. Cette tempête le conduit irrésistiblement dans le futur auquel il tourne le dos pendant que l’amoncellement croît devant lui jusqu’au ciel. Ce que nous appelons le progrès, c’est cette tempête-ci. » (Walter Benjamin, Thèses sur le concept d’histoire, IX)

Le but poursuivi par Angelus Novus, dont le genre s’appelait jadis opéra, est de libérer sur la scène la contrainte du redoublement du substrat musical. L’ œuvre compte sur une équipe de mise en scène ouverte, prête pour ainsi dire à devenir l’auteur d’une langue scénique en lien avec la musique. Angelus Novus est non-narrative. Cela doit vouloir dire qu’aucune histoire ne sous-tend la partition dans le déroulement temporel de la forme musicale. Au lieu de cela, la forme est à concevoir comme une série d’aspects spécifiques qui cherchent à surmonter artistiquement la thématique du texte Angelus Novus de Benjamin. La transposition de la forme suit la partition, qui est mise en avant dans toutes les mises en scène. Comme cette musique n’est pas composée comme une « histoire » mais tout du long comme le « noyau » thématique, la mise en scène peut néanmoins être narrative. Cette « narration » doit bien sûr expressément être inventée en sus. Ce CD contient les œuvres telles qu’elles sont jouées séparément, en dehors de la scène.

Comme le chiffre trois est constitutif du cycle à de nombreux niveaux, trois œuvres pour ensemble font face à trois pièces pour solistes. Angela Nova pour soprano solo et ensemble ne met pas en musique le texte de Benjamin. Il sert beaucoup plus de proposition pour une lecture structurelle qui se manifeste dans les cinq parties suivantes :I – des chaînes de phonèmes sont formées à partir des consonnes ; II – des chaînes de voyelles sont formées à partir des voyelles ; III – la substance phonétique des mots séparés est fondue en « agrégats » de phonèmes ; IV – parcours rétrograde à travers le texte ; V – la ponctuation du texte (la série des virgules et des points) est traduite en « minidrames ».

Le « thème » des cinq sections relève de cinq états fondamentaux pour l’existence humaine, à « l’émotionalité » desquels la chanteuse transmet l’interprétation et la technique de chant – une musique hautement expressive, voire entièrement « anthropologique ». Section I : le « thème » est la peur, la solitude, l’impossibilité de s’exprimer, le vide, l’incertitude, l’état originel, l’embryonalité. La musique sort du néant, palpable, dans la mesure où elle commence avec le doux, le bruissement, si bien que la voix elle-même doit en quelque sorte conquérir la parole, le chant possible. La musique se développe à partir d’une impossibilité vocale. Section II : le « thème » est la joie, l’ouverture, le chant libre, l’ample respiration. Joie signifie ouverture, l’oubli du temps par l’extraversion, la pure expression vocale, la disposition à la présence. Cela se traduit musicalement par de sobres vocalises. Section III : le « thème » est l’espoir : celui-ci signifie la germination de la forme à partir de l’informe, évolution lente qui vient de commencer, pourtant sans but direct reconnaissable, et donc à atteindre. La musique consiste en de tout petits développements, dans lesquels les barbouillages balbutiants se délient. La différence entre les différents degrés de précision (sourd/voisé, fricatives/spirantes/vocales, etc.) est ici importante. Section IV : le « thème » est la tristesse, la douleur. La musique consiste essentiellement en lignes descendantes ; l’énergie décroît, aussi bien dans les petites unités que dans le mouvement d’ensemble. La musique bascule dans l’absence de chant, avec une tendance vers la suffocation (presque jusqu’à un point pouvant rappeler la Section I). Section V : le « thème » est le désespoir, la catastrophe, la destruction. La musique consiste en une suite de « minidrames » allant de l’introversion à l’hystérie, en passant par l’épuisement et l’extraversion. L’ensemble est constitué de quatre violons, piano, guitare et harpe. Angela Nova 2 est la version pour solo de Angela Nova (avec une fin légèrement changée).

Au niveau compositionnel, la Deuxième Symphonie de chambre (ensemble de solistes avec 16 interprètes) est d’abord une superposition de trois processus formels, empruntés d’ œuvres historiques : a) l’instrumentation (le cas échéant la division en groupes instrumentaux) suit Carceri d’Invenzione I de Brian Ferneyhough de manière rétrograde ; b) le matériel morphologique – au nombre de 19 – suit par analogie la Première symphonie de chambre de Schönberg ; la division des mouvements, la structure des tempi et la caractéristique des mouvements suivent ma propre (Première) Symphonie de chambre : I – ondoyant, linéaire, en guise d’introduction ; II – en blocs, rythmique ; III – augmentation jusqu’au climax ; IV – en relâchant, puis « Grande adagio » ; V – tumulte, complexité ; VI – « Réflexion », épilogue. L’ œuvre prend ensuite pour thème le rapport entre présence et absence sur trois niveaux. « L’absence » va être créée par des réductions soudaines de trois façons différentes : a) ppp soudain (extrêmement doux), soit dans un groupe instrumental soit pour tout l’orchestre ; b) fondu de tous les instruments d’un groupe en un seul instrument principal ; c) immobilité soudaine du processus rythmique avec la succession de sons tenus. Comme dans toutes mes symphonies de chambre, l’effort est fait de tendre vers le maximum de drame symphonique et de perspectives multiples.

La Solitude-Sérénade est la version pour ensemble de la pièce soliste pour hautbois piccolo Solitude-Nocturne (1992/93) qui se trouve ici entourée d’une enveloppe harmonique. Deux sources littéraires se rencontrent ici : d’une part la vision psychanalytique et anthropologique de Lou Andreas-Salomé sur l’érotisme (« … et deux ne font un que s’ils restent deux »), d’autre part un aphorisme au sujet du bonheur extrait de Minima Moralia d’Adorno, selon lequel l’oubli du temps, de l’instant comme du mode de pénétration et d’émersion sont inhérents à la condition du bonheur, de sorte que l’on ne prend conscience du bonheur qu’en tant que souvenir reconnaissant. La musique, suivant une stricte mélodie en huitièmes de ton et quelques accords choisis, essaie de calquer ce parcours temporel, dans la moitié duquel une sorte d’oubli temporel doit venir : linéaire, « organique », non-conflictuel.

La vision d’ange nouveau pour violoncelle ; La terreur d’ange nouveau pour flûte ; Le rêve d’ange nouveau pour piano. Ces trois pièces ont été développées avec les mêmes principes compositionnels. Trois types de matériaux communs, qui peuvent être décrits et mis au premier plan comme « harmonique », « mélodique » et « rythmique-motivique ». Un type domine dans chaque pièce, pendant que les deux autres constituent des matériaux secondaires. Dans la pièce pour piano au grand ambitus et pédales, domine l’harmonique-timbrique, dans celle pour violoncelle le mélodique-oscillatoire, dans celle pour flûte, le rythmique-motivique-répétitif. Parce que la forme, les intervalles et des pans de la rythmique ont été conçus de la même façon dans les trois pièces, l’attention a été portée sur le caractère particulier à accorder à chacune d’elles. La pièce pour violoncelle comporte jusque trois couches que l’interprète doit coordonner de façon polyphonique en intervenant d’un côté ou de l’autre. La pièce pour flûte est pour ainsi dire déchiquetée. À côté du matériel motivique, la pièce pour piano travaille avec des plans sonores aux grandes dimensions, dont la figuration exige la sensibilité timbrique de l’interprète. Les trois pièces suivent trois types de temps : par sa consomption nerveuse, la pièce pour flûte est liée au présent. La pièce pour piano, inscrite dans le rêve, illogique, anamnestique, permutative, réveille des souvenirs et compte pour le passé. Avec ses longues cantilènes étirées, la pièce pour violoncelle regarde vers le futur. Ces trois types de temps sont d’une certaine façon également valables pour les pièces pour ensemble. La Deuxième symphonie de chambre vaut pour le présent, le regard sur la complexe civilisation du XXe siècle, Angela Nova s’essaie à la question de ce qu’est l’homme aujourd’hui, la Solitude-Sérénade se rapproche d’une perspective messianique d’un au-delà de notre monde irrationnel et antagoniste.

Références littéraires :

Claus-Steffen Mahnkopf : Der Angelus-Novus-Zyklus (dans : Detlev Schöttker, Éditeur, Schrift – Bilder – Denken. Walter Benjamin und die Künste, Frankfurt a. M. 2004)

Julia Spinola : Komplexistische Engelsmusik – Claus-Steffen Mahnkopfs « Angelus Novus » als Musiktheater der Zumutung (dans : Frieder Reininghaus/Katja Schneider, Éditeurs, Experimentelles Musik- und Tanztheater [= Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert, Bd. 7], Laaber 2004)

Franklin Cox : « La vision d’ange nouveau », by Claus-Steffen Mahnkopf (dans : Ferdinand Zehentreiter, Éditeur, Die Musik von Claus-Steffen Mahnkopf, Hofheim 2012)

Almut Hellwig : « Angela Nova 2 » – Ein Erfahrungsbericht (dans : à l’endroit cité)

Klaus Huber : Im Gespräch mit Claus-Steffen Mahnkopf (dans : à l’endroit cité)

(Claus-Steffen Mahnkopf)