Hommage au hautbois

Hommage au hautbois. Ein musikalischer Ostrakismos

Die Oboe spielt in meiner Musik ein zentrale Rolle. Als „vox humana“-Instrument ist sie, neben dem Violoncello, mein Lieblingsinstrument. Mein erstes ambitioniertes Solowerk, Monade (1985/86), wurde für Oboe geschrieben. Mein ambitioniertestes Poly-Werk ist ein Konzert für Oboe und Kammerorchester (Medusa [1990-1992]). Ich schrieb für die Piccolooboe (Solitude-Nocturne [1992/93] und Solitude-Sérénade [1997]), ein Duo mit Klavier (Illuminations du brouillard [1992/93]) und mit Live-Elektronik (W.A.S.T.E. [2002] und W.A.S.T.E. 2 [2002]). Von 1987 bis 1994 schrieben Peter Veale und ich an dem Standardwerk Die Spieltechnik der Oboe, der ersten umfassenden Darstellung der Oboe, vor allem der Mehrklänge. Peter Veale, einer der führenden Oboisten unserer Zeit, ist einer meiner ältesten musikalischen Freunde.

So reifte mit der Zeit die Idee, ein Werk der Oboe und Peter Veale zu widmen. Die Hommage ist auch eine an Peter Veale, der die Uraufführung bestreitet. Die Kammerbesetzung ist eigentümlich, besitzt aber eine gewisse Logik: zwei gleiche Instrumente (Klarinette, auch Baßklarinette), zwei Instrument der gleichen Familie (Trompete und Posaune) und zwei Instrumente, die als Sonderinstrumente im Orchester gelten können: E-Gitarre und Schlagzeug. Die Oboe steht allein. Man könnte sagen: drei Pärchen und ein Single, man stelle sich die Gruppensituation auf einer gemeinsamen Reise vor. Die Pärchen spielen in bald sehr klaren, bald eher versteckten Kanons. Sie bestimmen das Geschehen. Die Oboe tritt mehrmals verspätet auf und wird dann von den übrigen abgeschnitten. Dabei verlieren diese aber ihre Energie und versinken buchstäblich in immer tieferer Lage, während die Oboe ihre brillante Höhe behält. Am Ende sind die sechs Musiker erschöpft, und die Oboe spielt ein großes Schluß-Solo. In gewisser Weise gewinnt sie, steht aber allein, was jedoch musikalisch ein Vorteil ist.

In der griechischen Polis, so im antiken Athen, gab es das Scherbengericht, den Ostrakismos. Auf Antrag konnten die Bürger eine unliebsame Person verbannen, den, der die meisten Nennungen auf Tonscherben erhielt. Es ist die Oboe, die in meinem Stück verbannt wird. Aber wie gesagt, musikalisch ist das ein Sieg.

(Claus-Steffen Mahnkopf)