The Courier’s Tragedy

The Courier’s Tragedy

The Courier’s Tragedy bildet einen Teil meines Pynchon-Zyklus, der folgende Werke umfaßt: Hommage à Thomas Pynchon für Ensemble, Solocello und Live-Elektronik (Musik-Installation), Dauer: unendlich; The Tristero System für Ensemble, Dauer: 18′; The Courier’s Tragedy für Violoncello solo, Dauer: 19′; W.A.S.T.E. für Oboe und Live-Elektronik, Dauer: 18′; D.E.A.T.H. für Achtspur-Tonband; Dauer: 12′ Ausgangspunkt des Pynchon-Zyklus ist der Roman The Crying of Lot 49 von Thomas Pynchon, den ich für einen der bedeutendsten Schriftsteller der Gegenwart halte und mit dem mich vieles verbindet, vor allem die paranoide Weltsicht auf eine durch und durch amoralisierte und entbürgerlichte Gesellschaft, wie sie sich in den Megametropolen von heute zeigt. In bewußter Absetzung von den anderen Zyklen aus der unmittelbaren Gegenwart – so zu György Kurtág und Daniel Libeskind – geht es mir in diesem Zyklus im Härte, fast Brutalität, um die Konsequentialität von letztlich sinnlosen Prozeduren, die alles mit allem zu vermitteln scheinen, ohne dabei Bedeutung stiften zu können. Auf solche Härte antwortet das von mir bewußt als „häßlich“ gewählte Material; aber auch die kompositorischen und damit auch formalen Strategien sind an der Grenze dessen angesiedelt, was einem in guter europäischer Tradition ausgebildeter Komponisten an Verwerfungen und Verzerrungen möglich ist. The Courier’s Tragedy übersetzt die narrative Struktur des gleichnamigen Horror-Renaissance-Theaterstück aus dem oben genannten Roman in eine mechanische Folge von Zahlen und Proportionen, die auf möglichst vielen Ebenen der Konstruktion – uns zwar unabhängig davon, ob das musikalisch sinnvoll ist oder nicht – angewandt werden. Die kalte Rationalität einer komplexen Vernetzung trifft sich auf diese Weise mit einer paranoischen Sinnleere. In The Courier’s Tragedy sieht sich der Violoncellist einer absurden Situation ausgesetzt: Die Partitur ist auf 12 Systemen notiert, die eine Vielfalt von Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet und diese zugleich aufgrund interner Widersprüche zu verunmöglichen scheint. Die Souveränität des Interpreten als Herr seines Instruments wird, dem Aufbau des Theaterstücks folgenden in einem Prolog, in fünf Akten und einem Epilog, systematisch unterminiert, bis am Ende das Cellospielen selber unmöglich geworden ist. Erschöpft und seiner expressiven Fähigkeiten beraubt, vibriert der Spieler ins Leere und versucht vergebens, dem Holzkorpus jene melodischen Qualitäten abzugewinnen, die die vier Saiten längst verloren haben.

(Claus-Steffen Mahnkopf)